Wenn man den Central Park in New York besucht, dann kommt man an einer Hundestatue vorbei, die den Schlittenhund Balto zeigt. Natürlich fragt man sich, warum ein Hund ein Abbild als Statue und dazu noch in solch einem berühmten Park erhält. Dazu müssen wir weit zurückgehen – in das Jahr 1925.

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Im Januar des besonders harten Winters 1925 brach in einer kleinen Stadt in Alaskas Nordwesten eine schlimme Epidemie unter der Bevölkerung aus. Es handelte sich um Diphterie. Die meisten der Bewohner des Ortes Nome, der von der Epidemie betroffen war, waren Indianer, die nicht über genügend Antikörper gegen diese Krankheit verfügten.

Der am Ort tätige Arzt hatte zunächst eine Erkrankung eines Kindes völlig falsch als Mandelentzündung diagnostiziert, und die Diphterie erst bemerkt, als innerhalb einer Woche weitere Kinder schnell verstarben. Da war es bereits viel zu spät.

Und es kam noch schlimmer: es gab in der kleinen Stadt Nome überhaupt keine entsprechenden Medikamente, bzw. nur überlagerte Seren (abgelaufen seit dem Sommer des vergangenen Jahres). Der Ort benötigte dringend neue Medikamente.

Da allerdings das Meer von November bis Juli mit Eis bedeckt ist und deshalb keine Schiffe den Ort erreichen konnten, blieb als einzige Transportmöglichkeit der Hundeschlitten.

Der Plan, Flugzeuge für die Aktion eingesetzt, wurde von einigen Politkern und kurzzeitig auch von Roald Amundsen befürwortet. Auf Anraten einiger sehr erfahrener Piloten der U. S. Navy ließ man diesen Plan jedoch wegen technischer Bedenken wieder fallen.

der siberian husky
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Die seinerzeitigen Flugzeuge waren während der eisigen Wintermonate unmöglich nutzbar (wassergekühlte Motoren). Schiffe waren auch ungeeignet, weil in den Wintermonaten der Hafen aufgrund von undurchdringbarem Packeis nicht erreichbar war.

Das Serum gegen die Diphterie gab es in Nenana, einer Stadt, die nahezu 1100 km weit entfernt lag.

Aufgrund der Dringlichkeit der Situation organisierte man einen Staffellauf, an dem 20 Hundeschlitten Teams in Etappen teilnehmen sollten.

Tatsächlich gelang es diesen Teams, das Serum innerhalb von weniger als 6 Tagen von Nenana nach Nome zu bringen. Es war ein unglaublich riskantes und hartes Unterfangen und niemand wusste, ob es überhaupt gelingen würde.

Durch die damals neu aufgekommen Möglichkeiten der Kommunikation mittels Telephonen und über Telegraphen (Radio) fand dieser Wettlauf gegen die Zeit weltweite Beachtung. Sämtliche Zeitungen in allen großen Städten der Erde berichteten davon, und die Welt nahm teil an diesem dramatischen Ereignis.

Die Leute hingen vor den Radios und verfolgten gespannt und gebannt, wie die Musher (Schlittenführer) die lange Distanz bewältigten.

Bekannt wurde der Staffellauf damals als „Serum Run To Nome“. Viele Medien wählten aber auch die Bezeichnung „Great Race of Mercy“. Häufig wird der „Serum Run to Nome“ verwechselt mit dem bekannten Iditarod Hundeschlitten Rennen. Beide haben jedoch – bis auf den letzten Streckenabschnitt – nichts gemeinsam.

Der erfolgreiche Abschluss des „Serum Run To Nome“ hat vielen Menschen das Leben gerettet. Die Stadt war seit dem 21. Januar unter Quarantäne gestellt worden, um weitere Erkrankungen möglicher Besucher des Ortes zu verhindern.

Der Bürgermeister hatte die Dringlichkeit der Lage telegraphisch an alle umliegenden Siedlungen gesendet und auch den amerikanischen Public Health Service in Washington entsprechend informiert.

Beeindruckend war die Schnelligkeit, mit der der Staffellauf umgesetzt wurde. Man muss bedenken, dass es damals weder Internet noch Handys gab.

Dennoch organisierte man innerhalb von nur wenigen Tagen eine Hundeschlittenkette, die aus 20 Teilnehmern und ihren Hunden bestand. Man hatte nur die besten Musher ausgewählt, um sicherzustellen, dass der Plan erfolgreich abgeschlossen werden konnte.

Der erste Hundeschlittenführer war Bill Shannon – er nahm das knapp 10 kg schwere Paket mit dem lebenswichtigen Serum am 27. Januar um 21:00 Uhr (einem Dienstag) am Bahnhof in Nenana entgegen und machte sich umgehend mit seinen neun Hunden auf den Weg.

Der Impfstoff durfte nicht einfrieren, denn dann wäre er unbrauchbar geworden. Dies stellte eine besondere Herausforderung dar, denn als Bill Shannon losfuhr, betrugen die Temperaturen weniger als -40°C. Der Winter 1925 war mit regelmäßigen Dauertemperaturen von unter -45° C der kälteste seit 20 Jahren.

Erschwerend kam noch hinzu, dass Bill Shannon den normalerweise schnelleren Pfad nicht benutzen konnte, da der durch Pferde zertrampelt worden war. Er musste auf den zugefrorenen Fluss ausweichen. Shannon lief neben dem Hundeschlitten her, um sich warm zu halten, dennoch zog er sich schwere Erfrierungen, vor allem im Gesicht, zu.

Nach einer strapaziösen Strecke kam er nach 6 Stunden nachts um 3:00 Uhr in Minto, der ersten Station, an. Hier ruhte er sich 4 Stunden aus, um sich selbst und seine wichtige Fracht aufzuwärmen und auch den Hunden eine Pause zu gönnen.

Gegen 7:00 am nächsten Morgen setzte er den Weg fort, nahm jedoch zuvor drei der neun Hunde aus seinem Gespann. Als er mit seinen sechs Hunden startete, waren es -52°C. Seine nächste Station erreichte Shannon ca. 4 Stunden später.

In der Ortschaft Tolovana übernahm der 2. Masher, Edgar Kallands, das Paket. Seine Fahrt dauerte 5 Stunden; immer noch waren es unmenschliche Temperaturen mit -49°C. Nachmittags um 16:00 Uhr kam Kallands nach Manley Hot Springs und wurde dort abgelöst.

Es folgten nun für eine sehr lange Strecke acht Hundeschlittengespanne, die nacheinander die Strecke von Manley Hot Springs bis nach Bishop Mountain zurücklegten. Die Hundeschlittenführer (Musher) nahmen unglaubliche Strapazen auf sich, um das Medikament schnell und unversehrt an seinen Bestimmungsort zu bringen.

In Bishop Mountain übernahm Charlie Evans den nächsten Teil der Route. Wiederum war es mit -52°C extrem kalt. Evans verlor durch Unachtsamkeit zwei seiner Hunde. Er war von 3:00 Uhr morgens bis um 10:00 Uhr unterwegs, und übergab dann in Nulato das Serum an Tommy Patsy.

Im weiteren Verlauf übernahmen die nachfolgend aufgeführten Musher einige Teilstrecken: Jackscrew, Victor Anagick und Myles Gonangnan.

Letzterer hatte besonders großes Pech auf seiner Strecke, weil ein Sturm aufzog.

Somit musste er einen etwas ungünstigeren Weg wählen, der ihn einem eisigem Orkan mit -57°C aussetzte. Der nächste Schlitten unter der Leitung von Henry Ivanoff hatte auch kein großes Glück. Ein Rentier lief recht kurz nach dem Start in sein Schlittengespann und sorgte so für ein verfrühtes Ende der Telnahme von Ivanoff.

Stattdessen übernahm Seppala das Paket. Trotz des ungünstigen Sturmes entschied er sich für den direkten Weg über das Packeis. Sein Schlitten legte sagenhafte 135 km an einem Tag zurück. Nach nur 2 Stunden Rast im Roadhouse der Ortschaft Isaac’s Point machte er sich wieder auf den Weg, obwohl der Sturm weiter zunahm.

Nach einer unglaublichen Leistung bei einem Sturm, der mit 105 km/h über ihn wegfegte bezwang Seppala den Little McKinley Mountain (1500 m hoch!), um dann am 01. Februar in Golovin von Charlie Olsen abgelöst zu werden.

Zu diesem Zeitpunkt wollte man die Staffel unterbrechen, um eine Abschwächung des Unwetters abzuwarten. Das Risiko, der wertvollen Fracht verlustig zu gehen, war bei den ungünstigen Umständen sehr hoch.

Kurz darauf brachen die Leitungen aufgrund der schrecklichen Witterung zusammen. Eine Koordination der Musher war damit nicht mehr möglich. Dennoch gelangte Olsen wie geplant nach Bluff. Er hatte sich sehr schwere Erfrierungen zugezogen.

In Bluff übernahm Gunnar Kaasen den weiteren Transport. Kaasen wartete 2 Stunden, bevor er aufbrach, da er auf ein Nachlassen des höllischen Sturmes hoffte, entschloss sich dann aber dennoch zum Aufbruch, obwohl keine Wetteränderung eintrat. Er befürchtet, dass eine spätere Abreise ihn höchstens mit starken Verwehungen auf der Strecke konfrontieren würde.

Seine Fahrt von Bluff aus trat er um ca. 22:00 an. Er verpasste sein Ziel um annähernd 3 km, kehrte jedoch nicht um, nachdem er dies bemerkt hatte. Im Gegenteil, er stemmte sich weiter gegen den Sturm und suchte unverdrossen seinen Weg.

Der Wind wurde so schlimm, dass der Schlitten umkippte und das Serum in den Schnee fiel. Es war mitten in der Nacht und gab kein Licht. Kaasen musste seine Handschuhe ausziehen, um nach dem Paket zu tasten. Dabei zog er sich üble Erfrierungen zu.

Sein Ziel, Point Safety, erreichte Kaasen am 02. Februar um 3:00 Uhr in der Nacht. Seine Ablösung, die eigentlich den letzten Streckenabschnitt fahren sollte. war jedoch aufgrund falscher Annahmen nicht vorbereitet.

Und so beschloss Kaasen, die letzten 40 km nach Nome auch noch zu fahren. Er konnte sich auf sein Gespann mit Leithund Balto verlassen.

Für die letzten 40 km brauchten sie nur 2,5 Stunden. Morgens um 5:30 Uhr traf Kaasen mit seiner wertvollen Fracht in der Stadt ein. Alle Ampullen mit dem lebenswichtigen Serum waren unversehrt.

Das mutige Team der Musher hatte die unglaubliche Strecke von 1.085 km in nur 127,5 Stunden zurückgelegt. Eine unglaubliche Leistung, wenn man bedenkt, unter welchen Bedingungen dieser Transport stattfand.

Fast alle Schlittenführer waren Athabasken (Ureinwohner aus Bereichen Kanadas und Alaskas).

Aufgrund der großen medialen Präsenz dieses Ereignisses wurden Gunnar Kaasen und Balto, der Leithund seines Schlittengespannes, zu Berühmtheiten in den USA. Sie hatten die Staffel beendet und somit war ihnen die besondere Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit gewiss. Tagelang füllten Geschichten über Gunnar Kaasen und sein Schlittengespann mit dem außergewöhnlichen Balto die Zeitungen.

Kaasen tourte daraufhin fast ein ganzes Jahr lang mit seinem berühmten Balto durch die Vereinigten Staaten und bekam sogar eine Filmrolle in dem kurzen Film „Balto’s Race to Nome“.
Zu Ehren des Hundes Balto enthüllte man am 15. Dezember 1925 eine ihm gewidmete Statue in New Yorks Central Park, der Hund war dabei anwesend.

Die Inschrift auf dem Sockel lautet:
“Dedicated to the indomitable spirit of the sled dogs that relayed antitoxin six hundred miles over rough ice, across treacherous waters, through Arctic blizzards from Nenana to the relief of stricken Nome in the Winter of 1925 Endurance · Fidelity · Intelligence”

„Gewidmet dem unbeugsamen Willen der Schlittenhunde, die im Winter 1925 ein Gegengift sechshundert Meilen weit über raues Eis, durch tückische Gewässer und arktische Schneestürme von Nenana nach Nome brachten, um so den geplagten Ort zu retten.
Ausdauer · Treue · Intelligenz“

Im Grunde genommen war der Kult um Kaasen und seinen Balto unverständlich. Denn derjenige Musher, der mit seinem Hund den längsten Teil der Strecke bewältigt hatte, blieb (zunächst) unerwähnt. Leonard Seppala und sein Togo hatten immerhin 146 km zurückgelegt – Kaasen und Balto lediglich 85. Keiner der anderen Musher hatte annähernd 100 km geschafft, Seppala fast das Doppelte der meisten anderen Fahrer.

Auch die meisten anderen Teilnehmer des Rennens blieben ungenannt. Auffällig ist, daß vor allem die, die indianischer Abstammung waren, von den Medien völlig unbeachtet blieben, obwohl sie immerhin fast 70% der Gesamtdistanz bewältigt hatten.

Wie dem auch sei – Ende 1926 begab sich auch Seppala mit seinem Togo auf eine Rundreise durch die USA. Er trat mit dem Hund sogar im Madison Square Garden auf und erhielt eine Medaille von Roald Amundsen. Togo musste allerdings 3 Jahre später eingeschläfert werden. Sein sterblicher Überrest wurde präpariert. Man kann Togo heute noch im Iditarod-Museum in Wasilla (Alaska) betrachten.

Auch Baltos Körper blieb erhalten. Nachdem er seine letzten Lebensjahre (März 1927 bis 1933) im Zoo von Cleveland (Ohio) verbracht hatte, ist er dort auch heute noch im Clevelander Museum of National History zu bewundern.

Späte Ehre erfuhr Balto im Jahr 1995. Unter dem Titel „Balto – ein Hund mit dem Herzen eines Helden“ veröffentlichte Universal Pictures die Geschichte eines Hundes aus Alaska und setzten somit dem Balto ein weiteres Denkmal.

Allerdings ist die Geschichte in dem Film kaum mit den wahren Geschehnissen aus 1925 vergleichbar.