Beim Cavalier King Charles Spaniel sind erbliche Augenerkrankungen glücklicherweise (bisher) nicht so häufig, dennoch darf man die Bedeutung von kranken Vererbern nicht übersehen.

So bedeutet die Verbreitung von Krankheiten in einer Population von Rassehunden auch die Vervielfachung von Leid, welches die betroffenen Tiere und deren Halter durchmachen.

Daneben muss man aber auch die Bedeutung für die Gesundheit einer gesamten Hunderasse beachten.

Bekanntermaßen ruht die Zuchtbasis der Wholecolours (black+tan, ruby) auf einer deutlich geringeren Zahl von Hunden, als die der Particolours (blenheim, tricolor).

So ist auch die Zucht gesunder Wholecolours eine anspruchsvolle Aufgabe für Züchter. Gerade die Farbschläge black+tan und ruby leiden mehr unter bestimmten Erbkrankheiten, so auch verstärkt unter erblichen Augenkrankheiten.

Beim Cavalier allgemein wurden folgende Augenprobleme beschrieben:

  • Distichiasis
  • Entropium
  • Korneadystrophie
  • Katarakt
  • Keratokonjunktivitis sicca (KCS)
  • Linsenluxation
  • Mikrophthalmie
  • Progressive Retinaatrophie (PRA) und Retinadysplasie (RD).

Retina-Dysplasie

Im Folgenden soll – da vielen kaum bekannt und aus aktuellem Anlass – nur auf die Retinadysplasie (RD) eingegangen werden.

Bei dieser angeborenen Erbkrankheit liegt eine Fehlbildung im Bereich der Netzhaut (Retina) vor. (Die Netzhaut im Augenhintergrund besteht aus den lichtempfindlichen Stäbchen und Zapfen, die für die Sehwahrnehmung verantwortlich sind.)

Dieser Defekt wird autosomal rezessiv vererbt, das heißt, weibliche und männliche Tiere sind gleichmäßig betroffen und die erkrankten Tiere haben das Gen doppelt, da nur dann die Erkrankung zu sehen ist.

Die Anlageträger erscheinen gesund, ihr gesundes Gen überdeckt den Defekt, so dass dieser bei einer Augenuntersuchung nicht feststellbar ist.

Je nach Ausmaß der Fehlbildungsstellen in der Netzhaut, die für das Sehen ja verantwortlich ist, kann man verschiedene Ausprägungsgrade der Krankheit unterscheiden:

1. fokale (herdförmige) RD

2. multifokale (an mehreren Stellen begrenzt auftretende) RD

3. geographische (großflächige) RD

4. totale RD

Die beiden letzten Formen führen so gut wie immer zur vollständigen Erblindung des Tieres.

Bei der fokalen und multifokalen haben die Hunde meist ein normales Sehvermögen. Da aber an den veränderten Stellen keine funktionsfähige Netzhaut besteht bzw. diese von der Unterlage abgelöst ist, hängt das Sehvermögen gerade bei der multifokalen Form auch immer von der Größe der Veränderungen ab.

Glücklicherweise verändern sich die festgestellten Ausmaße der Retinadysplasie meist nicht, es gibt jedoch Ausnahmen. Bei diesen breiten sich Veränderungen aus und können zur Bildung großer „blinder Flecke“ im Augenhintergrund führen, so dass das Sehvermögen eingeschränkt ist.

Jedoch können die meisten Hunde mit fokaler und multifokaler Retinadysplasie gut sehen und es bleibt wahrscheinlich (hoffentlich!) auch lebenslang so.

Eine Behandlung für die Erkrankung beim Einzeltier gibt es nicht.

Für die Gesundung und Gesunderhaltung einer Rasse empfehlen aber sowohl deutsche, europäische wie amerikanische Tieraugenspezialisten, weder betroffene Tiere, noch deren Eltern oder Nachkommen weiter zur Zucht einzusetzen.

Retina-Dysplasie Hund

Zwar sehen Tiere mit fokaler und multifokaler Retinadysplasie selbst noch recht uneingeschränkt, aber in der Rasse führt die Genanhäufung unweigerlich zur hochgradigen Form der Retinadysplasie mit vollständiger Netzhautablösung und Erblindung.

Aus diesen Gründen sollten verantwortungsvolle Wholecolourzüchter keine Deckrüden nutzen, die nicht von einem Spezialisten (DOK-Gutachter) augenuntersucht wurden. Das Mindestalter für die Diagnose bestimmter Augenerkrankungen ist unterschiedlich, bei Retinadysplasie dürfte aber mit dem Mindestalter für die Offene Klasse auf Ausstellungen eine relative Sicherheit vorliegen.

Beim Welpen festgestellte Veränderungen, die einer Retina-Dysplasie ähneln, können sich auswachsen und verschwinden.

Was den Schutz einer Population vor Augenerkrankungen anbelangt, sollten natürlich auch Deckrüdenbesitzer keine Wholecolourhündinnen zum Belegen akzeptieren, wenn diese nicht augenuntersucht sind.

Die meist einmaligen Kosten von 50 bis 70 Euro für eine Augenuntersuchung sollten jedem Deckrüdenhalter und jedem Züchter die Sicherheit wert sein. Zumindest die Merkmalsträger lassen sich dabei erkennen.

Zur heutigen Zeit der Gewährleistungspflicht sollte man die Gesundheit seiner Zuchthunde ernst nehmen, wenn man es nicht aus Überzeugung sowieso tut.

Die Gefahr, dass man mit neuem genetischen Material auch neue Krankheiten importiert, ist bekannt. Es handelt gewissenlos, wer kranke Tiere nach Feststehen der Diagnose weiterhin züchterisch (aus)nützt.

Dies stellt sowohl einen Verstoß gegen die VDH- und damit auch die Club-Zuchtordnung dar, als auch einen Verstoß gegen Tierschutzgesetzt §§ 11 b (Qualzuchtparagraph). Solange in einer Population genügend gesunde Tiere vorhanden sind, braucht man keine Krankheitsträger in der Zucht.

So stellen die Augenspezialisten Walde, Schäffer und Köstlin schon 1997 fest, dass gerade die Retinadysplasie immer häufiger zu beobachten ist.

Nicht wenige engagierte Züchter und Deckrüdenhalter haben mit neuen und importierten Hunden neben großen Erfolgen eben auch leidvolle Erfahrungen gemacht.

Es hilft aber nicht, die Augen vor dem Unvermeidlichen zu verschließen und nur sehen zu wollen, was man sehen will. Unsere Hunde werden schließlich nicht gefragt, ob sie sehen können wollen.

P.S. Bei anderen Rassen als dem Cavalier und manchen Spaniels kann die Krankheit anderen Erbgängen unterliegen und auch anders verlaufen, z.B. beim Retriever. Sie können dort auch mit Mehrfachmißbildungen und -defekten verbunden sein.

Literatur:

– Ophthalmologie bei Kleintieren/ R.L. Pfeiffer/ Schattauer 1991, S. 70-73

– Pareys Lexikon den Syndrome/ A. Herzog/ Parey 2001/ S. 400-401

– Current veterinary therapy IX / R.W. Kirk/ Saunders Comp. 1986/ S. 669

– Praktikum der Hundeklinik /H.G. Niemand, P.F. Suter/ 8. Aufl. Parey 2000, S. 330

– Atlas der Augenerkrankungen bei Hund und Katze/ I. Walde, E. Schäffer, R. Köstlin/ 2. Aufl., Schattauer 1997, S. 176 ff.