Parvovirose – die jüngste der gefährlichen Infektionskrankheiten

Wenn früher die Staupe als die gefährlichste Infektionskrankheit der Hunde galt, so änderte sich dies mit dem Auftreten der Parvovirose des Hundes Ende der 70er Jahre.


Diese Viruserkrankung ist hochgradig ansteckend, die Übertragung geschieht nicht nur von Tier zu Tier, sondern auch über Kleidung, Schuhe und andere Gegenstände.

In der Umwelt kann das Virus monatelang überleben. Erkrankte Tiere scheiden das Virus über einen langen Zeitraum mit Kot und Speichel aus.

Einige Tage nach der Ansteckung kommt es zu hohem Fieber, Appetitlosigkeit, Schwäche, Erbrechen und blutig-wäßrigen, fast nicht behandelbaren Durchfall. Der Darm kann keine Nahrung und keine Flüssigkeit mehr in den Körper aufnehmen.

Der Patient stirbt durch den Flüssigkeitsverlust und Auszehrung.

Auch eine Herzmuskelentzündung durch die Viren kann zu einem plötzlichen Tod führen, manchmal sogar ohne daß vorher Brechdurchfall aufgetreten ist.

Diese Seuche rafft ungeimpfte Hunde häufig dahin, Todesfälle sind auch bei erwachsenen, ungeimpften Tieren keine Seltenheit. Doch manchmal scheint die Erkrankung auch „geimpfte“ Hunde, besonders Welpen im Alter von 8 Wochen, zu befallen. Warum dies so ist, war Gegenstand vieler wissenschaftlicher Untersuchungen.

Früh oder spät impfen?

Es gab immer wieder die Streitfrage, ob man mit dem Impfen möglichst früh (6. Woche) oder lieber erst spät (8. bis 12. Woche) beginnen sollte, wobei besonders die Entscheidung für letztere Variante wirtschaftliche Überlegungen hatte: sollte doch der Welpenkäufer sein Tier selbst impfen lassen, diese Kosten würden dann zumindest nicht den Welpenverkäufer belasten.

Diese Ansicht trifft man häufig dort, wo Mischlingswelpen aufgezogen werden. Dabei sind sie für Parvoviren genauso anfällig wie Rassewelpen, und es ist eigentlich nicht zu verstehen und schon gar nicht zu akzeptieren, warum Mischlingswelpen nicht das gleiche Anrecht auf Schutz vor Krankheiten haben sollten.

  • Eine reine Kostenfrage?
  • Ist das Leben eines Mischlingswelpen weniger wert als das eines Rassehundes?

Was aber sind die sachlichen Gründe für unterschiedliche Zeitpunkte der Erstimpfung?

In der Regel wechseln Welpen, vor allem die größerer Rassen, Ende der 8. Lebenswoche ihr Zuhause. Die neuen Besitzer zeigen ihren Familienzuwachs stolz überall vor und nehmen ihn meist auch überallhin mit – was für die Sozialisierung des Hundes ausgesprochen ideal ist. Nur lauern in der neuen Umwelt allerlei Gefahren, so auch die Parvoviren.

Die Anzahl der direkten Kontakte Hund zu Hund, als auch der indirekten (Spaziergang auf einem Weg, den auch andere Hunde benutzen) ist weitaus größer als beim Züchter und damit auch die Infektionsgefahr.

Nun kann man mit der Impfung Welpen gut gegen Parvovirose schützen, warum also sollte man einen Welpen ungeimpft abgeben und damit Hund und neuen Halter einem erhöhten Risiko aussetzen?

Die Verfechter des späten Impftermins berufen sich auf eine Entdeckung in der Abwehrlage des Welpen. Mit der Muttermilch in den ersten Lebenstagen nimmt ein Welpe auch Antikörper über den Darm in seinen Kreislauf auf. Dies ist nur in den ersten Lebenstagen möglich, da danach die Darmwände für diese Abwehrstoffe nicht mehr durchgängig sind.

Deshalb ist es auch so wichtig, daß die neugeborenen Welpen Muttermilch und nicht etwa Milchersatz erhalten, der diese Abwehrstoffe nicht erhält.

Diese Antikörper enthalten auch solche gegen Parvovirose. Kommen sie mit einem Virus in Kontakt, so zerstören sie ihn, dabei machen diese Antikörper keine Unterschiede, ob es sich um ein krankmachendes sog. Feldvirus handelt, oder aber um ein abgeschwächtes (nicht mehr krankheitsauslösendes) Impfvirus.

Nun haben aber Antikörper eine Art begrenztes Haltbarkeitsdatum und werden danach vom Körper abgebaut, sozusagen als Müll entsorgt. Die „Haltbarkeit“ der mit der Muttermilch aufgenommenen, maternalen Antikörper ist beim Welpen nicht besonders lange.

Die Menge nimmt von der Geburt an ab und erreicht ein Niveau, bei dem der Welpe gegen Parvoviren nicht mehr geschützt ist, weil zu wenig Antikörper da sind.

Bei einer aktiven Impfung injiziert man dem Welpen abgetötete oder lebende, aber nicht mehr krankmachende Erreger und der Körper stellt daraufhin eigene Antikörper her. Diese haben auch eine längere „Haltbarkeit“.

Es ist natürlich sinnvoll, ab dem Zeitpunkt zu impfen, ab dem der maternale Antikörperspiegel keinen ausreichenden Schutz mehr bietet. Die Zeit zwischen dem Ende des Schutzes durch die maternalen Antikörper und dem Beginn der Eigenproduktion durch die aktive Impfung nennt man die „immunologische Lücke“.

Einmal geimpft, zu welchem Zeitpunkt auch immer, ist das bereits ein sicherer Schutz? Wie lange schützt eine Impfung? Muß sie wiederholt werden? Wenn ja, wann und wie oft?

Die sichere Impfung – einmal ist keinmal

Die meisten Welpenbesitzer wundern sich, wenn sie von ihrem Tierarzt mehrere Termine für die „Nachimpfung“ genannt bekommen. Manchen beschleicht vielleicht der (ungerechtfertigte) Verdacht, sein Tierarzt wolle ihm nur möglichst viel Geld mit einer „unnötigen“ Impfung aus der Tasche ziehen. Man sollte es einmal so sehen:

Auch wenn eine Impfung 60 Euro kosten würde, ist das nur ein Bruchteil von den Kosten, die bei einer Erkrankung eines Hundes entstehen würden. Behandlungskosten und stationäre Versorgung erreichen bei Parvovirose nicht selten das Zwanzig- bis Dreißigfache, falls der Hund dem Besitzer nicht den Gefallen tut, möglichst rasch zu sterben bevor zu hohe Kosten angefallen sind!

Das Schlimme an der Erkrankung ist, daß man keine Garantie für das Überleben des Hundes geben kann.

Erst im Lauf einer Behandlung zeigt sich, ob der Hund eine Überlebenschance hat. Ein plötzlicher Herztod ist eine Komplikation, die leider manchmal in der Phase auftreten kann, in der man das Tier schon gerettet glaubt.

Wenn der Tierarzt seinem Hundehalter die Impfungen als dringende Gesundheitsvorsorge ans Herz legt, möchte er vermeiden, daß der Hund an dieser schrecklichen Virusinfektion erkrankt. Lukrativer wäre für ihn eine Behandlung allemal! Die Impftermine sind also eine Gesundheitsvorsorge.

Warum aber muß die Impfung im ersten Impfjahr in kurzen Abständen wiederholt werden und danach meist nur jährlich?

Die Abwehrzellen eines Körpers veranlassen die Produktion der Antikörper in einer bestimmten Menge und sonst bei Bedarf. Nun muß, bildlich gesehen, eine Produktionsstraße eingerichtet werden, die genau diese Sorte Antikörper herstellt.

Dazu werden Pläne gebraucht, in denen die Organisation der Maschinen, Mitarbeiter, „Gußformen“ für die Produkte usw. festgelegt sind.

Das Ganze muß möglichst rasch anlaufen können – im Bedarfsfall geht es um das Überleben des Körpers (sprich der gesamten Fabrik!). Also muß alles zigmal geübt werden, damit im Notfall keine Zeit vergeudet wird und jeder Handgriff sitzt – wie bei einer Feuerübung. Dieses „Training“, daß alles schneller, reibungsloser und noch besser abläuft, erreicht man nur mit Nachimpfungen.

Wird nur ein einziges Mal geimpft, so kann man sich das so vorstellen, als ob die Feuerwehr im Brandfall vor dem Ausrücken erst einmal die Bedienungsanleitung des Löschwagens durchlesen müßte – Katastrophe!

Bei der Erstimpfung werden zwar Antikörper des eigenen Organismus produziert, aber die Menge ist nicht ausreichend für einen wirklichen Schutz. Mit den Nachimpfungen erreicht man eine Anzahl im Blut, die sicher schützt.

Außerdem reagieren die Abwehrzellen schneller mit dem Produktionsbeginn. Wenn dieser Zustand hergestellt ist, spricht man davon, daß die Grundimpfung abgeschlossen ist.

Da aber Antikörper mit der Zeit abgebaut werden (Haltbarkeit), muß in regelmäßigen Abständen nachproduziert werden, sonst reicht die vorhandene Menge nicht mehr zum Schutz aus. Dazu dienen die Auffrischungsimpfungen, die bei Parvovirose in jährlichem Abstand empfohlen werden.

Wird jahrelang nicht geimpft, sind meist keine schützenden Antikörper mehr da und auch die „Produktionsstraße ist verstaubt und eingerostet“. Jetzt ist verständlich, daß es bei einem Viruskontakt zum Krankheitsausbruch kommen kann.

Die Lücke im Schutzschild

Um Welpen wirksam zu schützen, möchte man möglichst zu keiner Zeit zu wenig Antikörper im Blut. Ab der Geburt schützen, wie oben erklärt, die maternalen Antikörper aus der Muttermilch. Diese werden aber mit der Zeit abgebaut und eigene Antikörper erst durch die Impfung aufgebaut. Es entsteht die „immunologische Lücke“ im Schutzschild des Körpers.

Wann diese auftritt, hängt natürlich auch von der Antikörpermenge ab, die der Welpe mit der Muttermilch aufnimmt. Die Menge der Antikörper, die in der Muttermilch ist, unterscheidet sich zudem von Hündin zu Hündin und ist auch nicht bei jedem Wurf gleich.

Es wurde mehrfach untersucht, in welchen Lebenswochen nun diese „Lücke“ auftritt. Die Ergebnisse waren sehr unterschiedlich, nannten teilweise die 6. bis 8. Woche, manche betrafen auch Wochen die vor oder nach dieser Spanne lagen.

So gab es immer wieder Stimmen, die behaupteten, eine frühe Impfung in der 6. Woche wäre nur hinausgeworfenes Geld und brächte den Welpen keinen Schutz – wegen der maternalen Antikörper.

Dieser Streit führte zu einer erneuten Untersuchung an der veterinärmedizinischen Universität München mit fast 400 Welpen verschiedener Rassen. Die Ergebnisse wurden im Jahr 2000 veröffentlicht.

Parvoimpfung – früh und öfter ist besser

Nach einer einmaligen Impfung in der 6. bzw. 8. Lebenswoche waren jeweils zwei Drittel der geimpften Welpen geschützt. Der Vorteil der früh geimpften Hunde liegt darin, daß sie diesen Schutz bereits zwei Wochen früher als die anderen haben, da sich bei Erkrankungen der Großteil der Welpen gerade in dieser Zeit infiziert.

Gleichgültig welches der üblichen Impfschemata angewendet wurde (Impfung 6./8./12. Woche oder nur 8/.12. Woche), nach der Abschlußimfpung waren nur 92 % aller geimpften Welpen geschützt, 8% jedoch nicht.

Gründe für das Versagen der Impfung kann (neben sehr unwahrscheinlichen Fehlern bei Impfstofflagerung und Handhabung) in starker Verwurmung der Welpen oder Befall mit anderen Parasiten oder auch in angeborener Schwäche des Abwehrsystems liegen.

Diese wird bei bestimmten Rassen, vor allem größerer Hunde, vermutet.

Als jedoch die Welpen beider Impfschemata nochmals in der 15. oder 16. Lebenswoche nachgeimpft wurden, waren wirklich alle (100 %) geschützt.

Diese Ergebnisse führen zu einem anderen als bisher gewohnten Impfplan:

  • 6./7. Woche: Parvovirose (P)
  • 8./9. Woche: Staupe, Hepatitis, Leptospirose, Parvovirose (SHLP)
  • 12./13. Woche: Staupe, Hepatitis, Leptospirose, Parvovirose, Tollwut (SHLPT)
  • 15./16. Woche: Staupe, Hepatitis, Leptospirose, Parvovirose, Tollwut (SHLPT)

Will man ein ganz auf den Wurf zugeschnittenes Impfschema selbst aufstellen, um Kosten zu sparen, dann ist eine Bestimmung des Antikörperspiegels aus dem Blut die einzige Möglichkeit, den richtigen Zeitpunkt zu finden.

Allerdings muß dazu einem Welpen Blut entnommen werden, da das der Mutter für diese Untersuchung ungeeignet ist. In den allermeisten Fällen entspricht der Blutwert eines Welpen mehr oder weniger auch dem seiner Geschwister.

Nicht zuletzt sollte der Züchter bei der Wahl des Impfplanes auch daran denken, wann er die Welpen an die neuen Halter abgibt. Ziehen die Welpen schon Ende der 8. Lebenswoche um, ist ein frühes Impfen wirklich zu empfehlen.

Wer je einen an Parvovirose erkrankten Welpen gesehen hat, wird dieses schreckliche und traurige Bild nie vergessen. Warum auf sichere Vorsorge verzichten?

Impfbücher sind Dokumente

Als Tierärztin bekomme ich immer wieder Impfausweise in die Hand, in denen auf der Innenseite noch nicht einmal Rasse, Alter, Farbe und Geschlecht eingetragen ist, vom Hunde-, Zwinger- und Züchternamen ganz zu schweigen.

Wenn diese Seite gänzlich unausgefüllt ist, hege ich große Zweifel, zu welchem Tier/ Hund dieses Dokument (!) überhaupt gehören soll.

Es ist keinesfalls ein Nachweis, daß das mitgebrachte Tier entsprechend den Eintragungen geimpft ist. Für einen Grenzübertritt oder als Beweis bei Rechtsstreitigkeiten ist es ungeeignet.

Ein eindeutige Zuordnung von Impfbuch zum Hund ist nur möglich, wenn die Identität mit Tätowierung oder Mikrochip feststeht und diese auch im Impfbuch steht.

Im Gegensatz zu Ahnentafeln, die ein Welpenkäufer meist erst Wochen, manchmal auch erst Monate nach dem Kauf zugeschickt bekommt, stellt der Tierarzt den Impfausweis sofort nach der Impfung aus.

Begründet der Verkäufer das Fehlen eines Impfdokumentes mit dem Satz “ … muß erst noch ausgestellt werden …“, ist das Ganze sehr zweifelhaft.

Außerdem sollte sich ein Welpenkäufer durchaus den Stempel des für die Impfung verantwortlichen Tierarztes einmal genauer ansehen. Liegt die Postleitzahl der Praxis weitab vom Wohnort des Verkäufers (Verkauf im Saarland, impfende Tierarztpraxis in Niederbayern), stammt dieser Hund wahrscheinlich aus dem Hundehandel und wurde im Welpenalter schon über Hunderte von Kilometern transportiert. Es wäre kaum vorstellbar, daß ein Züchter aus dem Saarland mit einem Wurf Welpen nach Passau zum Impfen fährt!

Noch schlimmer, wenn außer einem unleserlichen Unterschriftskrakel sich gar kein Stempel im Impfbuch befindet.

Schauen Sie beim Hundekauf ruhig in das Impfbuch mal hinein. Ihr Auto kaufen Sie doch auch nicht, ohne sich Fahrzeugschein und -brief anzuschauen und aushändigen zu lassen!

Vorsicht bei Welpen aus dem Hundehandel

Die meisten Parvovirose-Fälle in meiner beruflichen Laufbahn habe ich bei Welpen gesehen, die aus dem Hundehandel stammten. Daß es sich bei dem Verkäufer nicht um einen Züchter, sondern um einen Händler handelte, war nicht allen Käufern bewußt.

In vielen Fällen lockte aber entweder ein Kaufpreis, der deutlich unter dem von seriösen Züchtern lag, oder aber es waren abgabebereite Welpen jederzeit vorhanden und gegen Barzahlung sofort mitzunehmen.

Kaufverträge wurden – erstaunlicherweise auch bei Kaufsummen von 1000 bis 1500 Euro – nicht immer gemacht. In vielen Fällen fehlten auf den Verträgen exakte Angaben über Verkäufer, den verkauften Welpen und zugesicherte Eigenschaften wie Impfungen laut Impfbuch. Leider sind viele der erkrankten Hunde aus dem Handel gestorben, so daß die neuen Besitzer ohne Hund und mit einer entsprechende Tierarztrechnung dastanden.

Bei eindeutiger Sachlage waren manche Händler bereit, Ersatz anzubieten, Rückgabe des Geldes oder Übernahme der Tierarztkosten jedoch nie. Viele Käufer wollten jedoch nicht noch einmal ein krankes Tier.

In einigen Fällen war die Beweislage für die Käufer günstig. Bis jedoch der Fall vor Gericht verhandelt wurde, vergingen ein bis zwei Jahre.

Dann war plötzlich ein Familienangehöriger des Verkäufers der Eigentümer jeglichen Vermögens, beim Verkäufer selbst nichts mehr zu holen.

Recht gehabt, Recht bekommen und doch auf allen Kosten sitzen geblieben.

Schauen Sie sich vorher an, wo Sie einen Hund kaufen. Ihr Auto kaufen Sie auch nicht überall. – Und wenn Sie sich nicht auskennen, nehmen Sie jemand mit, der wirklich gut Bescheid weiß.

Externe Links

https://www.msd-tiergesundheit.de/fokusthemen/impfempfehlungen-fuer-hund-und-katze/infektionskrankheiten-hund/parvovirose/