Einen Artikel über den populären Hundeausbilder Cesar Millan – genannt „der Hundeflüsterer“ – zu schreiben, ist nicht ganz einfach.

Nicht nur deswegen, weil seine Geschichten, seine Ausbildungsmethoden und seine außergewöhnliche Medienwirkung so völlig von dem abweichen, was man in der Hundeszene sonst so kennt.

Sondern auch, weil ich immer mehr zu der Meinung komme, man sollte ruhig auch mal die Schattenseiten (wo viel Licht ist, ist auch viel Schatten) dieser beliebten TV-Serie aufzeigen.

Derzeit wird im Deutschen Fernsehen eine Serie über Frau Maja Nowak ausgestrahlt. Die Hundeszene hat sehr kontrovers darauf reagiert und schon nach der ersten Sendung wird heftig in den sozialen Netzwerken diskutiert und gepostet.

Für mich sind die darstellenden Personen zunächst nicht so interessant, es ist die Art der Vermarktung von Hundeausbildung und Hundeexperten, die meiner Meinung nach umstritten ist.

© Esther Hildebrandt - Fotolia.com
© Esther Hildebrandt – Fotolia.com

Aber zurück zu Cesar Millan.

Auf die erste Sendung von „Der Hundeflüsterer“ bin ich rein zufällig gestoßen. Ich zappte durch die Kanäle um eine werbefreie, seichte Unterhaltung zu finden. Ich war sehr erstaunt, wie medienwirksam die Filmindustrie in Hollywood es bis heute hinbe­kommt, die Aufmerksamkeit der Zuschauer zu binden.

Von wegen Hintergrundunterhaltung! Nach wenigen Minuten hat mich die Sendung alle anderen Aktivitäten abstellen lassen.

Worum geht es?

In Los Angeles lebt ein Mann, der es verstanden hat, sein Talent im Umgang mit Hunden derart zu vermarkten und zu inszenieren, dass man tatsächlich versucht ist, ihm sein Talent, schwer neurotische Hunde zu resozialisieren, abzunehmen.

Aber! Und das sollte man kritisch hinterfragen: Dieses „Talent“ wird von einem hervorragenden Team aus Regie, Drehbuch und Technik – also von Filmprofis – inszeniert und ist nicht wirklich ernst zu nehmen!

Hollywoodfilme zeigen gern ein Happy End! Und es ist tatsächlich so, dass es bei diesen „Resozialisierungen“ (fast) immer ein Happy End gibt!

Wie es dazu kommt, wie oft eine Übung wiederholt werden musste, wie viele Probanden (Teilnehmer) aus dem Casting ausgeschieden sind und nicht filmreif waren, wird dem Zuschauer ja nicht auf die Nase gebunden.

Auch welche nicht ganz tierschutzgerechten Tricks im Hintergrund verwendet werden, all das ist nicht nachvollziehbar. Und die Rückfallquote kennt man auch nicht. Man sieht als Zuschauer ja nur das „Vorhermodell“ und das resozialisierte „Nachhermodell“.

Die Filmindustrie konnte schon immer wunderbare Illusionen produzieren und seit dem Fernsehhund Lassie kommen wir immer noch ins Schwärmen, wenn wir trainierte Traumhunde im Fernsehen sehen.

Was ich damit sagen will ist: Wir können als Fernsehzuschauer überhaupt nicht beurteilen noch überprüfen, was sich hinter den Kulissen dieser TV-Sendungen verbirgt und was Wahrheit ist und was Illusion. Ob diese Hunde echte Sozialhärtefälle sind wissen wir auch nicht.

Was aber nicht heißen soll, dass diese Sendung nicht sehenswert und richtig gute Unterhaltung sein kann und als Nebeneffekt sogar ein paar brauchbare Erziehungstipps vermittelt. Denn so ganz ohne fachlichen Hintergrund und ohne Beraterteam kommt selbst ein Hollywooddrehbuch nicht aus!

Ob es aber tatsächlich das Fachwissen des Hauptdarstellers ist, wissen wir nicht oder ob er quasi vor den Dreharbeiten einen Text auswendig lernt.

Für all diejenigen, die „Der Hundeflüsterer“ nicht kennen, möchte ich zwei Geschichten stellvertretend für die vielen anderen nacherzählen. Ich möchte aber auch so ganz nebenbei auf die Risiken der Nachahmung hinweisen.

Nicht umsonst beginnt der Vorspann der Sendung mit dem Hinweis: „Wenden Sie die gezeigten Techniken nicht ohne den Rat eines Fachmannes an.“

Das ist sozusagen der Beipackzettel der Sendung. Nebenwirkungen nicht ausgeschlossen. Und wer glaubt, dass diese TV-Serien (egal ob in Deutschland oder in den U.S.A.) doch keinen Schaden anrichten können, der bedenke bitte, dass inzwischen mindestens sechs Staffeln ausgestrahlt wurden mit bisher über 140 Sendungen.

Außerdem gibt es Videos und Bücher zu kaufen. In den Staaten ist „THE DOGWHISPERER“ ein gigantischer Erfolg und ein Riesengeschäft.

Wie gesagt: Die meisten der vorgestellten Hunde haben eine gravierende Macke oder eine ausgeprägte, neurotische Verhaltensstörung. Die Besitzer der Hunde haben so gut wie keine Ahnung von Hundeerziehung oder sie sind mit dem Verhalten ihres Vierbeiners völlig überfordert. Sie wissen sich keinen Rat mehr, deshalb rufen sie einen „Hundeflüsterer“ an, bevor ihr Hund entweder ins Tierheim muss oder ständig der Haussegen schief hängt.

Cesar Millan nimmt den Auftrag an, schwingt sich in seinen roten Jeep und fährt zur Familie des Patienten. Sein Job ist es, den Hund zu resozialisieren. Damit beginnt jeweils die Handlung der Sendung. Im Haus oder im Garten der Familie findet das erste Gespräch statt.

Cesar Millan lässt sich die Geschichte des Hundes erzählen. Nun ist es so, dass Hundehaltung in den USA sich stark von der Hundehaltung bei uns im Lande unterscheidet.

Fast alle Familien, die der Hundeflüsterer besucht, haben nur rudimentäre Kenntnisse von Hundeerziehung oder davon, wie ein Hund gehalten werden soll. Deshalb ist es für Herrn Millan relativ einfach, den Überraschungseffekt sprich sein Umerziehungsprogramm vorzuführen.

Ein miserabel – weil gar nicht – erzogener Hund hat ja seine Position in der Familie erfolgreich errungen, weil er diese Position relativ leicht erobern und festigen konnte.

Aus Unkenntnis hat die Familie dem Hund keine Grenzen gesetzt und keinen Respekt gefordert. Erschwerend kommt hinzu, dass die gezeigten Familienhunde fast nur im Haus und Garten gehalten werden und wenig soziale Kontakte zu anderen Hunden haben.

Spaziergänge, Hundeausbildung, Hundesport sind für sehr viele amerikanische Hundefreunde Fremdwörter.

Dementsprechend sind die im Haus gehaltenen Hunde chaotisch und leiden unter einem Lagerkoller. So wie zum Beispiel der kraftstrotzende Retrieverrüde Sam, der seine unkontrollierte Energie abreagiert, indem er den ganzen Tag um den Pool rennt und sich ins Wasser stürzt.

© Jana Behr - Fotolia.com
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Rein, raus, schütteln und das ganze wieder von vorne. Nimmt man ihn ins Haus, jammert er so lange, bis er wieder rausgelassen wird und das Spiel geht wieder von vorne los. Das könnte man vielleicht noch ertragen, wenn man dem Hund den Pool überlässt.

Aber was ist, wenn man seinen eigenen Pool gerne selbst benützen will und das gemeinsam mit den Enkelkindern? Denn Sam, der Rabauke, nimmt darauf keine Rücksicht.

Sein Programm steht: Um den Pool rennen und reinspringen. Egal, ob man dabei auf Opa oder den Enkel springt. Spätestens da wird der Hund zur Plage und man ruft professionelle Hundeversteher zur Hilfe!!

Die Hundeexperten unter uns werden bei dieser Geschichte wahrscheinlich schmunzeln und bemerkt haben, was bei dieser Familie und in der Hundeerziehung falsch gelaufen ist. Sam ist nämlich nicht wirklich verhaltensgestört. Er ist nur ein schrecklich unerzogener Hund, der seinen Bewegungsdrang auf seine Weise auslebt und bisher hat niemand ihn ernsthaft daran gehindert.

Im Gegenteil. Man hat ihn noch bestätigt, indem man sein Jammern belohnt hat. So gesehen, hat es ein „Hundeflüsterer“ relativ einfach, die Resozialisierung vor der Kamera vorzunehmen. Es gibt nicht viel zu „flüstern“, sondern es werden in Kürze klare Erziehungsregeln eingeführt.

Jeder gesunde Hund ist normalerweise schnell und einfach zu beeindrucken.

Kommt ein Mensch, der dem Hund unmissverständlich signalisiert: Ab heute bin ich Chef in deinem Revier und nehme all das in Besitz was dir gehört, gibt die Mehrzahl der Hunde ihren Besitz ohne Kampf auf. Das gibt ihnen ihr Instinkt vor. In der Natur werden ernste Auseinandersetzungen möglichst vermieden. Im übertragenen Sinne gilt das bis heute.

Cesar Millan stand also am Pool und wartete auf Sam. Der schoss aus dem Haus und wollte wie gewohnt um den Pool rennen. Der Hundeflüsterer hielt ihn davon ab, indem er ihn mit einem Scheinangriff nach vorne und einem „Biss“ mit der Hand in die Flanke davon abhielt.

Dabei formt er seine Hand wie eine Gartenkralle und zwickt den Hund mit seinen als „Zähne“ umfunktionierten Finger. Das war für den Hund eine völlig neue Situation. Bisher wurde er ja noch nie ernsthaft korrigiert. Also blieb er verdutzt stehen.

Beim erneuten Versuch nach vorne zu gehen, wurde er nochmals mit der Hand gezwickt. Bei jedem weiteren Versuch wieder. Cesar Millan kontrollierte somit jeden Schritt, jede Bewegung des Hundes. Soweit so gut. Der Hund blieb am Rande des Pools stehen. Der nächste Schritt war, dem Hund den Pool zu verwehren.

Wie macht man das? Man geht hinein und nimmt den Pool damit in Besitz. Folgt der Hund nach und man will das nicht, führt man ihn wieder hinaus.

Genau das machte Cesar Millan den Besitzern und den vielen Fernsehzuschauern Zuhause an den Bildschirmen vor.

Er nahm den Hund, der selbstverständlich in seinen geliebten Pool nachgesprungen ist und führte ihn am Halsband wieder raus. Wird er unwillig, wird er wieder ge­zwickt. Den weiteren Verlauf will ich an dieser Stelle abkürzen.

Selbstverständlich wissen erfahrene Hundeführer, dass diese Vorführung kein übergroßes Talent erfordert, ganz sicher ist es kein Wunder.

Unnötig zu erklären, dass nach 10-minütiger Sendezeit der Hund mit gesenktem Kopf und bei Fuß um den Pool getänzelt ist und kein Interesse mehr an einem Bad hatte. Er war mit diesen „kurzen“ Übungen innerhalb von Minuten von seiner Macke geheilt.

Und schon eilen wir mit Cesar zu seinem nächsten Problemfall. Sendezeit ist schließlich teuer. Und Hunde resozialisieren dauert ja nur 10 Minuten.

Das jedenfalls gaukeln uns die Produzenten der Sendung vor.

Natürlich habe ich mir ein besonders einfaches und leicht durchschaubares Beispiel rausgesucht. Weil es ja nicht um den Grad der Störung geht. Es geht darum, dass diese Sendung Anfängern vermittelt, dass man Verhaltensprobleme, die aufgrund Haltungsfehler über Monate oder sogar Jahre entstanden sind beseitigt, indem man einen Wundertrainer ins Haus holt.

Das ist Hollywood und hat mit der Realität nichts zu tun. Und wie gesagt, wir wissen nicht, wie lange die Dreharbeiten mit diesem Hund am Pool gedauert haben.

Einen Tag, mehrere Tage, eine Woche?

Wie viele Wiederholungen hat der wasserverrückte Hund wirklich benötigt, bis er seine Kontrolle über den Pool abgegeben hat?

Eines ist jedenfalls sicher: Ganz bestimmt länger als zehn Minuten! Die vielen Fehlversuche wurden bestimmt nicht gefilmt bzw. wurden rausgeschnitten.

Szenenwechsel:

Als zweite Geschichte habe ich ein Beispiel herausgesucht, was sehr deutlich macht, dass bei Hunden, die nicht auf Menschen sozialisiert sind, ein völlig anderes Bild zu Tage kommt. Diese reagieren nämlich kaum bis gar nicht auf die Dominanz eines „menschlichen“ Rudel­führers, weil sie Menschen nicht als Artgenossen akzeptieren.

Cesar Millan wurde auf eine Pferderanch weit außerhalb der nächst größeren Stadt gerufen. Dort hielt sich seit mehreren Monaten eine verwilderte Mischlingshündin auf. Sie war sehr menschenscheu, ließ sich weder einfangen noch berühren.

Näherte sich ein Mensch, flüchtete sie auf Distanz. Mit den Pferden verstand sie sich sehr gut, weshalb der Rancher sie auch innerhalb der Stallungen und Koppeln duldete. Sie nahm auch das angebotene Futter auf. Blieb aber immer auf Fluchtdistanz. Soweit so gut, das hätte auch prima so weiterlaufen können, wenn die Hündin nicht zweimal Welpen geworfen hätte!

Mit ihren Artgenossen hatte sie offensichtlich keine Probleme. Die Welpen wurden in einer Ecke des Stalls geboren, wurden von der Familie versorgt und vermittelt.

Nach dem zweiten Wurf innerhalb eines Jahres war aber klar, dass es so nicht weitergehen konnte, denn man war nicht gewillt, alle paar Monate unerwünschte Welpen zu versorgen. Also musste die Hündin eingefangen und kastriert werden. Deshalb wurde Cesar Millan gerufen.

Diese Geschichte wurde nur bedingt eine Erfolgsgeschichte.

Die Hündin reagierte auf die Signale und die Körpersprache des Dogwhisperers genau so wenig, wie auf all die menschlichen Bemühungen bisher. Sie blieb scheu und angstaggressiv, sobald sich jemand näherte.

Zwar gelang es Cesar Millan mit einiger Mühe, der Hündin eine Leine umzulegen, aus der sie sich aber mit großer Kraftanstrengung und unter Panik wieder befreien konnte.

Ihre übergroße Angst vor Menschen konnte weder korrigiert noch besänftigt werden. Sie empfand alle Bemühungen als bedrohlich. Sehr wahrscheinlich hatte sie in den entscheidenden Wochen der Frühprägung keine oder nur schlechte Erfahrungen mit Menschen gemacht.

Aber nur in den ersten Lebenswochen kann ein Welpe auf Menschen geprägt werden.

Danach ist nur noch eine Zähmung möglich, als Bindungspartner wird der Mensch zeitlebens nicht mehr betrachtet. Eine „Resozialisierung“ ist bei wilden Hunden deshalb unmöglich, weil gar keine „Sozialisierung“ stattgefunden hat.

Das wissen wir seit den Experimenten von Konrad Lorenz mit seinen Graugänsen.

Die Geschichte endet damit, dass ein Tierarzt aus der Stadt mit seinem als mobilen OP umgebauten Wohnmobil auf die Ranch kam und die Kastration vor Ort durchgeführt wurde. Denn zu guter Letzt gelang es dem gesamten Team doch noch die Hündin einzufangen und wenigstens dafür zu sorgen, dass nicht noch mehr Welpen geboren werden.

Sie durfte auch auf der Ranch bleiben, jedenfalls bis zum Sendeschluss!

Wenn man das alles bedenkt und beim Wahrheitsgehalt der Stories ein Auge zudrückt, dann kann der DOGWHISPERER (und entsprechende Sendungen im deutschen Fernsehen) gute Unterhaltung sein!

Als Erziehungs- und Trainingshilfe ist die Sendung ziemlich fragwürdig. Hundeneulinge rate ich, diese etwas seltsame „Zwickmethode“ mit der Hand auf keinen Fall anzuwenden.

Vor allem ein junger Hund könnte in seinem Vertrauen stark erschüttert werden. Keine Hundemutter zwickt, beißt und knurrt ihre Welpen ständig an, um ihnen Gehorsam beizubringen.

Hundewelpen lernen vor allem durch Nachahmung. Sie beobachten sehr genau, was die Alttiere machen und ahmen deren Verhalten nach.